Unterbringung von Geflüchteten in Freiburg
An das Regierungspräsidium Freiburg und Stadt Freiburg
Sehr geehrte Damen und Herren,
hiermit erhalten Sie einen Offener Brief des Freiburger Forums aktiv gegen Ausgrenzung der von etwa 100 Einzelpersonen und mehr als 25 Freiburger Gruppen in den letzten vier Tagen unterschrieben wurde. Der Brief wurde am 31. März 2020 verfasst.
Landeserstaufnahmeeinrichtung | Wie wir erfahren haben ist seit dem 01. April eine Einzelperson in der Landeserstaufnahmeeinrichtung mit dem Corona-Virus infiziert. Der Betroffene und drei weitere Zimmerbewohner dürfen seitdem das Zimmer nicht mehr verlassen. Eine am Virus erkrankte Familie wurde ebenfalls am 01.04.2020 von der UNI-Klinik zurück in die Landeserstaufnahmeeinrichtung gebracht und lebt auf einem Stockwerk unter Quarantäne. Etwa 80 Personen wurden bis zum 21. April 2020 in 53 Zimmer in der Jugendherberge Freiburg untergebracht. In der Landeserstaufnahmeeinrichtung soll mittlerweile jede Person in einem Einzelzimmer untergebracht sein. Ist dies alles bis zum 21. April 2020 befristet?
Kommunale Unterbringung | Über eine Erkrankung in kommunalen Unterkünften liegen uns kein Informationen vor. Die Situation in einzelnen kommunalen Unterkünften ist unterschiedlich. Es zeigt sich auch hier, dass eine Sammelunterbringung eine besondere Herausforderung für die dort lebenden Menschen ist. Der Sozialdienst ist vor Ort, wenngleich mit den Sozialarbeiter*innen nur ein eingeschränkter Kontakt möglich ist. Deshalb sollte eine Unterbringung in einer städtischen Unterkunft, die nicht den Maßstäben einer Wohnung entsprechen, nur von kurzer Dauer sein. Geflüchteten muss es erlaubt sein, selbst ein Zimmer oder eine Wohnung im Stadtbezirk zu finden.
Die Maßnahmen die zum Schutz der Gesundheit der Menschen eingeleitet wurden, sind nicht ausreichend. Ein Ende der Corona-Pandemie ist nicht abzusehen. Das Freiburger Forum aktiv gegen Ausgrenzung kritisiert die Unterbringung unter minimalistischen und eingeschränkten Lebensbedingungen in der Landeserstaufnahmeeinrichtung. Durch das Konzept der Unterbringung befinden sich die Bewohner*innen in einer schwierigen Situation. Wir sind der Meinung, dass das Konzept nicht nur in der Frage des Gesundheitsschutz gescheitert ist.
Wie wir erfahren haben, will das Land Baden-Württemberg an dem Unterbringungskonzept der Landeserstaufnahmeeinrichtungen auch während der Corona-Krise festhalten und richtet eine Isolierunterkunft in Althütte-Sechselberg für 60 Personen ein. Dort sollen vor allem Menschen die in Erstaufnahmeeinrichtungen am Corona-Virus erkranken, in Quarantäne kommen. Mitte nächster Woche soll die Isolierunterkunft die ersten erkrankten Geflüchteten aufnehmen.
Werden auch an Covid-19 erkrankte Personen aus Freiburg nach Althütte-Sechselberg gebracht? Was plant das Regierungspräsidium Freiburg in Bezug auf die Unterbringung in der Landeserstaufnahmeeinrichtung?
In der Landeserstaufnahmeeinrichtung in Ellwangen gibt es bis zum 19. April 2020 ein Ausgangs- und Kontaktverbot für 587 Bewohner*innen. Ist ein Ausgangs- und Kontaktverbot auch für Freiburg geplant und möglich?
Nicht nur die Corona-Pandemie zeigt, dass ein Umdenken in der Unterbringung von geflüchteten Menschen stattfinden muss. Wir sind der Auffassung, dass dort wo Grund- und Menschenrechte gelten, Sammelunterkünfte nicht möglich sind. Eingriffe in die Selbstbestimmung und in die Freiheit der Person dürfen nicht weiter möglich sein. Eine Sammelunterbringung, wie sie derzeit vor allem in den Landeserstaufnahmen stattfindet ist in der Migrationswissenschaft sehr umstritten. Zahlreiche rechtliche Fragen sind nicht geklärt. Die Corona-Krise wäre jetzt eine Gelegenheit für die Behörden, die Massenunterbringung von geflüchteten Menschen selbst in Frage zu stellen. Dabei müssen behördliche Praktiken selbstkritisch hinterfragt werden. Warum sollten Behörden sich nicht selbst, in dem was sie tun, hinterfragen. Trifft der Vorwurf des institutionellen Rassismus zu oder nicht? Diese Diskussion ist längst überfällig. Hier sollte der Gemeinderat und die Verwaltung der Stadt Freiburg und vor allem auch das politische Freiburg mit entsprechenden Initiativen vorangehen.
In Teilen der Freiburger Öffentlichkeit besteht großes Interesse an Informationen und Transparenz über die Unterbringung von geflüchteten Menschen in den einzelnen Sammelunterkünften in Freiburg. Wir bitten Sie deshalb um die Beantwortung unserer Fragen. Gesprächsangebote nehmen wir gerne entgegen.
Mit freundlichen Grüßen
Freiburger Forum aktiv gegen Ausgrenzung
Fragen an das Regierungspräsidium Freiburg und an die Stadt Freiburg
Offener Brief
An das Regierungspräsidium Freiburg, Referat 15.2 – Flüchtlingsaufnahme, Heinrich-von-Stephan-Str. 25, 79083 Freiburg
An die Stadt Freiburg, Amt für Migration und Integration, Rathausplatz 2 – 4, 79098 Freiburg
Gemeinsamer Brief an das Regierungspräsidium Freiburg und an die Stadt Freiburg.
Corona-Pandemie und Sammelunterbringung von Geflüchteten in Freiburg.
In Freiburg leben etwa 2.000 Geflüchtete in kommunalen Gemeinschaftsunterkünften und etwa 200 in der Landeserstaufnahmeeinrichtung. Jeder Person stehen 4,5 bis 7m² Wohnfläche zu. In der Erstaufnahme ist eine Wohnsitzauflage bis 18 Monate möglich und 24 Monate in einer Anschlussunterbringung. Viele teilen sich ein Zimmer. Drei, vier, aber auch fünf Personen sind die Regel. Während es in den kommunalen Unterkünften gemeinsam nutzbare Küchen in kleineren Einheiten gibt, findet in der Erstaufnahmeeinrichtung für die Bewohner*innen eine Zentralversorgung durch eine Kantine zu festgelegten Uhrzeiten statt.
Aktuell fallen in den kommunalen Gemeinschaftseinrichtungen die Sozialdienste aus und der Kontakt zu Unterstützer*innen ist nur noch online möglich. Die Menschen bleiben verunsichert in den Unterkünften zurück. Im Schnitt leben pro Unterkunft etwa 140 Menschen auf engem Raum. Wie wir wissen, ist Abstand halten in keiner der Unterkunft möglich. Oft leben zu viele Menschen auf kleinem Raum. Umzäunt, von einer Sicherheitsfirma bewacht.
Ansteckungsgefahr besonders hoch
Die Sammelunterbringung ist das Ergebnis jahrzehntelanger ausgrenzender Asylpolitik. Besonders fraglich ist die Unterbringung in der Landeserstaufnahmeeinrichtung Freiburg, in der Geflüchtete mit minimalistischen Leistungen versorgt werden und ihre Grundrechte eingeschränkt sind. Durch die gemeinsame Nutzung von Wasch- und Duschräumen, zentrale Essensversorgung, Unterbringung in Mehrbettzimmern etc. ist die Ansteckungsgefahr mit dem Corona-Virus besonders gegeben. „Stay at home“ ist unter den Bedingungen in Sammelunterkünften nicht zumutbar. Es ist absehbar, dass sich Betroffene nicht an die Ausgangssperre halten, sondern Freund*innen/Bekannte besuchen oder sich im öffentlichen Raum aufhalten.
Was geschieht, wenn Menschen über einen längeren Zeitraum in der Unterkunft krank werden? Wird die Unterkunft dann über Wochen in eine Art Massengefängnis wie in Suhl, Halberstadt und Geldersheim, verwandelt? Zieht dann jeder Protest einen Polizeieinsatz nach sich? Welche Auswirkungen hat das auf Kinder und Jugendliche, auf traumatisierte Personen und andere vulnerable Gruppen?
Schließung der Landeserstaufnahmeeinrichtung
Aktuell werden bundesweit immer mehr Erkrankungen aus Erstaufnahmeeinrichtungen und Anker-Zentren gemeldet. Auch aus Freiburg. Deshalb betonen wir: Es braucht – nicht nur in Corona-Zeiten – ein dezentrales Aufnahmekonzept. Das Freiburger Forum aktiv gegen Ausgrenzung fordert das Land Baden-Württemberg und die Stadt Freiburg auf, die Gesundheit aller Menschen im Blick zu haben und alle entsprechenden Maßnahmen zu ergreifen. Der Staat muss seiner Schutzpflicht nachkommen. Konfliktlösung in den Lagern ohne Polizeieinsätze!
De Stadt Freiburg fordern wir auf, ihre Wohnungsakquise (Belegrecht von Wohnungen durch die Stadt) nun verstärkt umzusetzen, damit Geflüchtete die in überbelegten Sammelunterkünfte leben, diese verlassen können. Ferienwohnungen und Hotels stehen momentan ohnehin leer und dürften zu günstigen Konditionen anzumieten sein. Notfalls kommt auch eine Beschlagnahme in Betracht.
Rechtliche Grundlagen
Nach § 49 Absatz 2 Asylgesetz (AsylG) ist eine Verteilung aus einer Erstaufnahmeeinrichtung in eine Wohnung oder kommunale Unterkunft „aus Gründen der öffentlichen Gesundheitsvorsorge sowie aus sonstigen Gründen“ möglich. Das der Behörde eingeräumte Ermessen ist durch den besonderen Umstand der Corona-Pandemie auf Null reduziert. Dies ergibt sich aus der Schutzpflicht des Staates für Leib und Leben nach Art. 2 Abs. 2 Grundgesetz. Auch Artikel 12 (Recht auf körperliche und geistige Gesundheit) des internationalen Pakts über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Menschenrechte verlangt von den Vertragsstaaten, dass alle Schritte zur vollen Verwirklichung dieses Rechts und die erforderlichen Maßnahmen eingeleitet werden um die „Behandlung und Bekämpfung epidemischer … Krankheiten vorzubeugen.“ Auch das Infektionsschutzgesetz (IfSG) weist ausdrücklich daraufhin, dass das Ziel die Unterbrechung der Kontaktmöglichkeiten ist, sodass keine weitere Übertragung von Infektionskrankheiten erfolgen kann.
Weiterhin fordern wir:
- Verlegung aller vulnerablen Personen aus den Sammelunterkünften.
Ausreichende mehrsprachige Informationen über jeden Stand der Entwicklung.
Jederzeitiger Zugang zum Internet.
Entzerrung der Belegungsdichte, Nutzung aller Gebäudetracke.
Bewohner*innen in Entscheidungsprozesse einbeziehen.
Keine Leistungskürzung oder Leistungsverweigerung.
Anmietung und Nutzung dezentraler Wohnmöglichkeiten, Gaststätten, Hotels etc..
Bereitstellung von Ausrüstung für Quarantänefälle, z.B. Atemschutzmasken.
Keine Polizeieinsätze in Sammelunterkünften.
Wir unterschreiben den Offenen Brief und unterstützen die Forderungen!
Unterschrieben von etwa 100 Einzelpersonen und 25 Gruppen und Organisationen aus Freiburg.
Einzelpersonen und Gruppen die den Offenen Brief an das Regierungspräsidium Freiburg und an die Stadt Freiburg unterschrieben haben.
Etwas mehr als einhundert Einzelpersonen haben unterschrieben, die hier nicht explizit gennant sind. Folgenden Gruppen haben unterschrieben: Feministische Gruppe Realitätenwerkstatt | Awareness-Team Freiburg | Antifaschistische Linke Freiburg | Recht auf Stadt Netzwerk | Freundeskreis Alassa & friends | Konrad Bohnacker |Brigitte Schultheiß | Projektleiterin/Geschäftsführerin, Pädagogische Werkstatt/PH Freiburg | Freiburger Forum aktiv gegen Ausgrenzung | Weitblick Freiburg | Solidarity City Freiburg | Andrea Klatt |Prof. Dr. Gesa Köbberling, Studiengangsleitung BA Soziale Arbeit, Evangelische Hochschule Freiburg | Sarah-Louise Müller, Pfarrerin ev. Pfarrgemeinde Freiburg-Südwest | attac freiburg | | Fantifa Freiburg | Südbadisches Aktionsbündnis gegen Abschiebungen | Aktion Bleiberecht Freiburg | Lea-watch-Freiburg | Our Voice e.V. | Hausprojekt LAMA | Abteilung für Sozialpädagogik am Institut für Erziehungswissenschaft der Pädagogischen Hochschule Freiburg | Schlüsselmensch e.V. | Kurdistan Solidaritäts-Komitee Freiburg | Medinetz Freiburg | Saliha Soylu | Prof. Dr. Sebastian Klus, DHBW Villingen-Schwenningen | Feministische Linke | Anarchistische Gruppe Freiburg | Pädagogische Team der Demokratischen Schule Kapriole Freiburg | Corona Solidarität Freiburg | FAU – Freiburg | Arbeitskreis Kritische Soziale Arbeit Freiburg (aks Freiburg) | JUPI Fraktion | Wählervereinigung Urbanes Freiburg | Kay Raasch – Mitglied im Ver.di Landeserwerbslosenausschuss, Stellvertretendes Mitglied im Ver.di Bundeserwerbslosenausschuss und Mitglied im Sprecherrat vom Ökumenischen Asylforum Freiburg |