Alle Versuche, ein humanititäres Bleiberecht für Frau Ametovic und ihre Kinder durchzusetzen, sind gescheitert. Zuletzt wurde ein Härtefallantrag abgelehnt – er wurde noch nicht einmal bearbeitet, sondern als unzulässig zurückgewiesen. Die Landespolitik demonstriert auf dem Rücken von Frau Ametovic und ihren Kindern ihre Bereitschaft zu unnachgiebiger Härte im Umgang mit abgelehnten Asylbewerbern. Humanitäre Gesichtspunkte wurden konsequent ignoriert. Die Schutzbehauptungen zu verfahrenstechnischen Mängeln oder zur angeblich gesicherten Versorgung in Serbien sind unglaubwürdig.
Frau Ametovic und ihre Kinder sind am 23. November 2017 vom Frankfurter Flughafen wieder zurück ins Elend nach Nis ausgereist. Sie haben nun erneut eine zweijährige Einreisesperre in sämtliche Schengenstaaten. Nach ihrer Ausreise kamen sie zeitweise bei einem Onkel in Nis unter, da ihnen selbst das Notwendige zum Überleben fehlt. Aktuell sitzt die Familie in Nis fest und hat kein Geld, um in ihren eigentlichen Wohnort Lesnica weiterzureisen. Auch fehlt es an Geld, um Brennholz und Essen zu kaufen.
Obwohl Mitglieder des Petitionsausschusses und Landtagsabgeordnete des Stuttgarter Landtags dem Freiburger Forum aktiv gegen Ausgrenzung zu einem Antrag bei der Härtefallkommission geraten haben, teilte die Härtefallkommission nach Eingabe eines Härtefallantrages am 21. November mit, „dass der Vorsitzende der Härtefallkommission eine Befassung mit der Eingabe für die Familie Ametovic/Mustafic abgelehnt hat“.
In der ablehnenden Begründung des Petitionsausschusses heißt es: „Unter anderem wurden dem Ausschuss auch keine qualifizierten ärztlichen Bescheinigungen vorgelegt, welche gesundheitliche Gründe belegen, die einer Abschiebung entgegenstehen würden.“ Obwohl dies unseres Erachtens nur eine Schutzbehauptung ist, wurden dann mit der Eingabe des Härtefallantrages weitere und zureichend qualifizierte ärztliche Bescheinigungen eingegeben. In diesen ärztlichen Stellungnahmen wurden weitere ärztliche Untersuchungen empfohlen. Eines der Kinder leidet seit sieben Jahre unter Dauerdurchfall. Erst in den letzten drei Monaten, als Frau Ametovic im Bürgerasyl war, wurde diese Tatsache bekannt. Nach Aussage eines Kinderarztes ist für den siebenjährigen eine langjährige Therapie erforderlich, die er in Serbien auch wegen der Ausgrenzung der Roma nicht bekommen wird. Ausführlich wurde in dem Härtefallantrag auch nochmals auf die familiäre Situation eingegangen.
Frau Ametovic, eine Mutter mit sechs Kindern, die aus sehr einfachen Verhältnissen kommt, ein kompliziertes Asylverfahren nicht versteht, hätte spezielle Unterstützung gebraucht, die sie nicht bekommen hat.
Die Auseinandersetzung für ein humanitäres Bleiberecht von Frau Ametovic und deren Kinder wurde zu einem politischen Fall. Der Petitionsantrag des Freiburger Forums wurde vom Land fälschlicherweise an den Bund verwiesen, von dort zurückverwiesen und erst nach über zweieinhalb Jahren negativ entschieden.
Dort heißt es dann in zynischer Verkennung der Realität:
„Das Innenministerium und der Petitionsausschuss des Bundestages weisen darauf hin, dass die Verantwortung für die Sicherung eines menschenwürdigen Daseins der Petenten beim serbischen Staat liege, da die Petenten serbische Staatsangehörige sind“ und dass „von einem Anwärter für die Mitgliedschaft in der EU erwartet werden kann, dass der Staat sich um ein menschenwürdiges Dasein für alle seiner Staatsangehörigen sorgt.“
In den etwa 200 Seiten umfassenden Dokumenten, die dem Petitionsausschuss vorlagen und das Leben der Familie von 2013 bis 2017 dokumentieren, wird mehrfach nachgewiesen, dass der serbische Staat Frau Ametovic und deren Kinder kein „menschenwürdiges Dasein“ garantieren kann oder garantieren will. Zwischen August bis Dezember 2016 lebte Frau Ametovic ohne Strom und Wasser, oft hatten sie nichts zu essen. Der Herd wurde durch das Verbrennen von alten Kleidern beheizt. Besonders die Kinder leiden sehr unter den elenden Lebensverhältnissen. Zahlreiche Beweise und Stellungsnahmen von unterschiedlichen Organisationen und Einzelpersonen wurden nicht gewürdigt und bleiben vollkommen unberücksichtigt.
Weiter wurde formuliert:
„Die Vorsitzende des Petitionsausschusses verwies darauf, dass der Begriff des humanitären Bleiberechts nur schwer zu fassen sei.“ Sicher ist jedoch: Die Lebensverhältnisse unter denen Frau Ametovic und die Kinder bislang gelebt haben, können nicht mit human beschrieben werden. Wenig Essen, keine Heizung, keine ausreichende soziale Fürsorge, Kinderarbeit, die Kinder gehen nicht in die Schule, keine Arbeit, eingeschränkte medizinische Versorgung, da kein Geld vorhanden und vieles mehr bestimmen den Lebensalltag.
Dass Frau Ametovic und ihre Kinder erneut zur Ausreise gezwungen wurden ist ein Skandal. Sie sind zum Opfer einer Politik geworden, die sich gegenwärtig mehr um die Wählerstimmen am rechten Rand zu sorgen scheint als um das Schicksal von Menschen, die fliehen. Dies scheint der neue Konsens einer Politik zu sein, die von allen Parteien des Landtags getragen wird.
Freiburger Forum, 6.12.1017