Das Freiburger Forum aktiv gegen Ausgrenzung erklärt das Bürgerasyl für Frau Ametovic und ihre Kinder für beendet und bedankt sich bei allen Unterstützer/innen.
Mit dem Bürgerasyl haben wir das Ziel der Petition – ein humanitäres Bleiberecht – nicht erreicht, aber einen kleinen Teilerfolg erzielt: Frau Ametovic und ihre Kinder sind bislang nicht abgeschoben worden und können sich bis Ende November legal in Deutschland aufhalten. Damit ist die Notwendigkeit für eine Fortführung des Bürgerasyl nicht mehr gegeben. Mit den zuständigen Behörden wird jetzt abgeklärt, wo die Familie nunmehr untergebracht wird und welche Bedingungen an eine freiwillige Ausreise gestellt werden.
Nach wie vor aber wäre es aus humanitären Gründen dringend geboten, dass Frau Ametovic und den Kindern ein humanitäres Bleiberecht gewährt wird. Das ist aber gegenwärtig politisch nicht durchsetzbar. Die gravierenden Auswirkungen der Diskriminierung von Roma werden zudem durch das geltende Recht nicht als Fluchtgrund anerkannt. Flüchtlingsabwehr hat Vorrang vor humanitären Überlegungen. Auch der Gesichtspunkt des Kindeswohls wird ignoriert. Dies ist der Fall, obwohl die UN-Kinderrechtskonvention, geltendes Recht auch in Deutschland, den Vorrang des Kindeswohls fordert:
„Bei allen Maßnahmen, die Kinder betreffen, gleichviel ob sie von öffentlichen oder privaten Ein-richtungen der sozialen Fürsorge, Gerichten, Verwaltungsbehörden oder Gesetzgebungsorganen getroffen werden, ist das Wohl des Kindes ein Gesichtspunkt, der vorrangig zu berücksichtigen ist.“ (UN-KRK, Art. 3)
Der Petitionsausschuss hat sich am 28. September 2017 einstimmig gegen ein humanitäres Bleiberecht ausgesprochen. Diese Entscheidung ist nicht nachvollziehbar. In der Begründung wird argumentiert, dass ausreichende ärztliche Dokumente fehlen. Dies ist nicht überzeugend, denn es lagen ärztliche Bescheinigungen zu den gesundheitlichen Problemen vor. Der Ausschuss hätte eine Frist einräumen können, um weitere Gutachten zu beschaffen. Durch die versuchten Abschiebungen war es zudem unmöglich, bereits vereinbarte weitere Arzttermine wahrzunehmen. Das war dem Petitionsausschuss bekannt. Erst während des Bürgerasyls konnten weitere ärztliche Untersuchungen eingeleitet werden.
Nicht nachvollziehbar ist auch, dass die Entscheidungen des Petitionsausschusses und des Verwaltungsgerichts ausdrücklich auf der Voraussetzung aufbauen, dass das Überleben von Frau Ametovic und ihrer Kinder in Serbien auch zukünftig von Freiburger Unterstützer/innen gesichert wird. Wenn das Leben von Frau Ametovic von Zahlungen aus dem Ausland abhängt, wird damit eingestanden, dass Frau Ametovic in Serbien nicht über ausreichende staatliche Unterstützung verfügen wird. Das Verwaltungsgericht Freiburg hat Ende 2016 in einem anderen Fall in Bezug auf eine serbische Roma-Familie ein Abschiebungsverbot beschlossen, da bei einer Rückkehr u.a. infolge von „Nahrungsmangel schwere gesundheitliche Schäden“ zu erwarten seien.1
In einem Schreiben vom 22. August 2017 schreibt uns die in Nis ansässige serbische NGO Zenski prostor, die mit Frau Ametovic Kontakt hatte, dass „ in Serbien alleinerziehende Frauen – auch Roma-Frauen – keine Chance haben, ohne Unterstützung zu überleben. Die Sozialleistungen liegen weit unter dem, was für eine Grundversorgung notwendig wäre. (…) Es gibt keine besondere staatliche Unterstützung für alleinerziehende Roma-Frauen außer den normalen Leistungen. Frauen, die Opfer von Gewalt von Männern werden, können die Polizei rufen oder sich an Sozialarbeiter (Center of Social Work) wenden. Frauen, die wie Frau Ametovic keine Unterstützung im familiären Umfeld oder der Gemeinde finden, ist damit erfahrungsgemäß jedoch wenig gedient.“
Das Freiburger Forum kritisiert auch die Vorgehensweise der Behörden. So wurde ein Abschiebeflug für die Familie gebucht, obwohl die Rechtsmittel bei der Asylfolgeantragstellung noch nicht ausgeschöpft waren. Das Regierungspräsidium hielt sich bei der Festlegung des Abschiebetermins auch nicht an einen vom Bundesamt (BAMF) gewährten Zeitraum, der es ermöglicht hätte, weitere ärztliche Atteste zu besorgen. Das Innenministerium versuchte Frau Ametovic und ihre Kinder im September 2017 ein zweites Mal abzuschieben, obwohl bekannt war, dass der Petitionsausschuss im gleichen Monat über die Petition entscheiden wird. Eine Chance für eine freiwillige Ausreise nach der Ablehnung des Rechtsschutzantrages hatte Frau Ametovic zu keinem Zeitpunkt, da die erste Abschiebung bereits vor der Zustellung eines Bescheids über die Entscheidung erfolgte. Erst durch den Druck vieler Engagierter und das Bürgerasyl kam eine Entscheidung des Petitionsausschusses überhaupt zustande, ohne dass durch eine Abschiebung bereits vollendende Tatsachen geschaffen waren.
Wir appellieren an Politik und Öffentlichkeit, weiter nach Möglichkeiten zu suchen, mit denen vermieden werden kann, dass Frau Ametovic und die Kinder Ende November gezwungen sein werden, „freiwillig“ ins Elend zurückzukehren.