Offener Brief an den DGB-Bundesvorstand

Wir veröffentlichen am heutigen Mittwoch, den 27.07.2016, einen offenen Brief an den DGB-Bundesvorstand. Darin wird dieser aufgefordert, ehemalige und leerstehende Gebäude im Besitz des DGBs nach Möglichkeit für soziale, basisdemokratische und flüchtlingsunterstützende Initiativen nutzbar zu machen. Konkret gibt es in Freiburg und Göttingen entsprechende Projekte; in Freiburg weigert sich der DGB-Bundesvorstand bislang, eine andere Nutzung des leerstehendes Gebäudes als die Vermietung auf dem freien Markt auch nur zu diskutieren.

Der Offene Brief wird neben den beteiligten Initiativen von diversen Erstunterzeichnern unterstützt, darunter mehrere DGB-Kreisverbände, ehrenamtliche Initiativen, ProfessorInnen und Gewerkschaftsfunktionäre.

Der Brief kann gerne von weiteren Gruppen und Personen unterstützt werden. Dazu einfach eine Nachricht an socialcenterfreiburg [at] riseup.net senden.

Freiburg, den 27.07.2016

Offener Brief an den DGB-Bundesvorstand

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen des DGB-Bundesvorstand,

auch wenn in den letzten Jahren viel Engagement, Solidarität und karitative Hilfe für Geflüchtete entstand, bleibt die Situation für die Betroffenen in vielerlei Hinsicht schwierig und prekär. Im Alltag haben Geflüchtete kaum Möglichkeiten, als selbstbestimmte Individuen ernst genommen zu werden und in Erscheinung zu treten. Flüchtlinge werden oft in Sammellagern untergebracht, was Ausgrenzung, Enge und Isolation bedeutet. Innerhalb der Unterkünfte fehlt es am Nötigsten: Keine Privatsphäre, keine Rückzugsräume, keine Infrastruktur um sich zu organisieren und zu informieren, teils keine Möglichkeiten um selbst zu kochen. Die staatliche Praxis zielt auf Verwaltung und will Flüchtlinge zwar in manche Bereiche der Gesellschaft integrieren, hat dabei aber zumeist andere Interessen als die der Flüchtlinge selbst im Sinn und arbeitet oft genug mit Repression und Zwang. Zusätzlich treten Teile der Gesellschaft Geflüchteten mit Hass und Ausgrenzung gegenüber.

Im Bewusstsein dieser Probleme haben sich zuletzt in mehreren deutschen Städten Initiativen für sogenannte „Soziale Zentren für alle“ gegründet. Es geht ihnen darum, Orte zu schaffen, in denen sich Geflüchtete und Nicht-Geflüchtete begegnen können und die Möglichkeit haben, gemeinsam initiativ zu werden. Es sollen Orte sein, an denen Geflüchtete nicht bloß als Objekte staatlicher Verwaltung vorkommen, sondern als selbstbestimmte Individuen; Orte also, an denen Geflüchtete und Nicht-Geflüchtete unbürokratisch Solidarität praktizieren können. Auch ihr wollt, dass sich verschiedene soziale Gruppen nicht in Konkurrenz um Arbeitsplätze oder Wohnraum bekämpfen, sondern stattdessen gemeinsam für ihre Interessen streiten. Dafür braucht es nach aller Erfahrung gemeinsame Räume und Infrastruktur.

In Freiburg gibt es mit dem Rasthaus bereits einen kleinen Ort, an dem Deutschkurse, Rechts- und medizinische Beratung für Menschen mit und ohne Fluchterfahrung stattfinden können. Dieser platzt derzeit jedoch aus allen Nähten. In Göttingen besteht seit dem 5. November 2015 ein Soziales Zentrum in einem ehemaligen DGB-Haus, dessen Fortbestand derzeit ungewiss ist. Auch in Freiburg gibt es seit Monaten die Initiative, ein leer stehendes DGB-Haus ebenfalls als Soziales Zentrum zu nutzen. Diese Initiative hat bei einer Kundgebung und weiteren Informationsveranstaltungen breite Unterstützung von Gewerkschafter_innen und anderen Bürger_innen erfahren. Während der DGB sich in Göttingen nun zwar zu ersten Verhandlungen bereit erklärt hat, erhält die Initiative in Freiburg bisher keine Antwort oder stößt auf Ablehnung.

Der DGB setzt sich bereits auf verschiedene Weise für die Belange Geflüchteter ein und hat sich in einem Beschluss des Bundesvorstands Ende 2015 dazu bekannt, „Flüchtlingspolitik gerecht und solidarisch gestalten, gesellschaftlichen Zusammenhalt fördern“ zu wollen. Mit der Bereitstellung der leerstehenden Immobilien böte sich dem DGB eine weitere Möglichkeit zur praktischen Umsetzung des Beschlusses.

Die Nutzung ehemaliger DGB-Häuser ist nicht nur eine finanzielle, sondern auch eine politische Frage. Nach Informationen der Freiburger Initiative hat die Immobiliengesellschaft des DGB vor, das ehemalige Gebäude auf dem freien Markt zu vermieten. Bislang begreift der DGB den Immobilienbesitz damit in erster Linie als Investitionskapital. Verhandlungen oder Gesprächen über eine solidarische Nutzung wird ausgewichen. Wirtschaftliche Erwägungen sollten nicht alleinig zielführend für die weitere Nutzung des Gebäudes sein. Entsprechend seinem Selbstverständnis sollte der DGB sich seiner politischen Verantwortung stellen und die Nutzung der Immobilie durch die Initiative ermöglichen!

Wir, die Unterzeichner_innen dieses Briefes, fordern Sie auf, die bisherige Haltung zu ändern, mit vorhandenen Initiativen über die soziale Nutzung von Immobilien im Besitz des DGB direkt zu verhandeln und sich öffentlich zur solidarischen Weiternutzung leerstehender DGB-Immobilien zu bekennen.

Initiative für ein Großes Rasthaus

bestehend aus:

  • Mini-Rasthaus
  • Recht auf Stadt-Netzwerk Freiburg
  • Aktion Bleiberecht Freiburg
  • Freiburger Forum aktiv gegen Ausgrenzung
  • Südbadisches Aktionsbüdnis gegen Abschiebungen
  • Deutschkurse im Rasthaus
  • Medinetz Freiburg
  • Anarchistische Gruppe Freiburg
  • Refugee Law Clinic Freiburg e. V.
  • iz3w – Informationszentrum Dritte Welt
  • FAU – Freie Arbeiter*Innen Union Freiburg
  • Studierendenintiave “Uni für Alle” / Antidiskriminierungsreferat der Studierendenvertretung Uni Freiburg

ErstunterzeichnerInnen des Offenen Briefes:

Verbände, Gruppen und Initiativen:

  • Social Center 4 All, Berlin
  • Social Center 4 All, Leipzig
  • Arbeitskreis Asyl Cuxhaven e.V.
  • Flüchtlingsrat Niedersachsen e.V.
  • SPRINGSTOFF
  • Grüne Alternative Freiburg (GAF)
  • Antifaschistische Linke Freiburg (iL)
  • Studierendenvertretung der Universität Freiburg
  • LabourNet Germany
  • DGB Kreisverband Cloppenburg
  • Fachbereichsvorstand Fachbereich 3 (Gesundheit, Soziale Dienste, Wohlfahrtsverbände und Kirchen) aus dem ver.di Bezirk Emscher-Lippe Süd, Gelsenkirchen

Einzelpersonen:

  • Jürgen Grässlin (GEW- und ver.di-Mitglied, Träger des Aachener Friedenspreises)
  • Thomas Wenzel (DGB-Kreisvorsitzender Heidelberg/Rhein-Neckar)
  • Paul Stern (DGB-Kreisvorsitzender Celle )
  • Ulrich Feuerhelm (DGB-Kreisvorsitzender Alzey-Worms)
  • Karin Glashagen (Kreisvorsitzende GEW Märkisch-Oderland)
  • Prof. Dr. Albert Scherr (Pädagogische Hochschule Freiburg, Vertrauensdozent der Hans-Böckler-Stiftung)
  • Prof. Dr. Barbara Stauber (Insitut für Erziehungswissenschaft, Universität Tübingen)
  • Prof. Dr. Heinz Sünker (Interdisziplinäres Zentrum: Kindheiten. Gesellschaften an der Bergische Universität Wuppertal)
  • Monica Wüllner (Gewerkschaftssekretärin IG Metall Esslingen)
  • Moritz Lange (Gewerkschaftssekretär in Baden-Württemberg)
  • Ulrich Hertkorn (DGB Kreisverband Rottweil)
  • Uschi Jacob-Reisinger (ver.di Bezirk Münsterland/Hamm-Unna, Fachbereich Handel)
  • Willi Oberländer (Gewerkschaftssekretär ver.di Bezirk Rhein-Wupper, Fachbereich 3 (Gesundheit, Soziale Dienste, Wohlfahrt und Kirchen))
  • Britta Beuel (Flüchtlingsinitiative Pro Asyl Lilienthal)
  • P. Wolfgang Jungheim (Pax Christi Nassau-Lahnstein)
  • Walter R. Dissinger (Asylkreis Krummhörn, Flüchtlingshilfe Altkreis Norden, Initiative für eine Bleiberecht für Roma in der Gemeinde Krummhörn und der Stad Emden)
  • Anette Mücke (GEW Kreisverband Hildesheim)
  • Eva Weber (Vorstand Forschungsgesellschaft Flucht & Migration e.V.)
  • Sigrid Becker-Wirth (MediNetzBonn e.V.)
  • Ester Ava Höhle (Doktorandin am International Center for Higher Education Research (INCHER))
  • Slave Cubela (express / AFP e.V.)
  • Michael Sommer
  • Lioba Backöfer
  • Wolfgang Coenen
  • Marita Blessing
  • Kerstin Hartung
  • Bernhard Klinghammer
  • Ulrike Beudgen
  • Oliver Bartz
  • Christoph Dreher

Wir freuen uns über weitere UnterstützerInnen!
Zum Unterzeichnen bitte eine Nachricht an socialcenterfreiburg [at] riseup.net

Weitere UnterstützerInnen:

  • Wolfgang Ringes (Vorsitzender des Fachbereichs 3 ver.di Bezirk Wuppertal-Niederberg)
  • Ursula Mathern

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