Anlässlich des Internationalen Roma-Tages am 8. April klagen wir die andauernde Diskriminierung der Roma in Deutschland und Europa an.
Der Tag der Roma erinnert an den ersten Internationalen Roma-Kongress, der am 8. April 1971 in London stattfand. 45 Jahre gemeinsamer Kämpfe um die Anerkennung als verfolgte Minderheit und um gleiche Rechte sind seither vergangen.
Doch heute müssen wir feststellen, dass die Rechte der Roma weiterhin und teilweise noch verstärkt mit Füßen getreten werden. Verstärkt gerade auch hier, in Deutschland, als einem Land, das Roma seit Jahrzehnten als Zufluchtsort wählten, wenn sie in ihren Herkunftsländern nicht mehr leben konnten.
Am 12. April 2000 fand die erste Sammelabschiebung vom Baden-Airpark in den Kosovo statt. Nun, 16 Jahre später, starten aus Baden-Württemberg monatlich drei Abschiebeflüge in mehrere Westbalkan-Staaten, mit denen im ersten Vierteljahr 2016 bereits 582 Menschen abgeschoben wurden, darunter viele Roma. Teilweise lebten sie seit Jahren hier.
Roma fliehen insbesondere aus den Staaten Südosteuropas, wo sie vielfach einer Diskriminierung in allen Lebensbereichen ausgesetzt sind: Ihnen bleibt der Zugang zum Arbeits- und Wohnungsmarkt, zum Gesundheits- und Bildungssystem und zu gesellschaftlicher und politischer Partizipation faktisch ganz oder teilweise verschlossen – auch wenn ihnen auf dem Papier meist alle Rechte garantiert werden. Leben in Slums, arbeiten auf Müllkippen, ein deutlich früherer Tod als die Mehrheitsbevölkerung sind einige der brutalen Folgen dieser Ausgrenzung. Es bleibt vielen kein anderer Ausweg als die Flucht in sicherere Länder in der EU, z.B. nach Deutschland.
Deutschland sollte eins tun: ihnen Schutz bieten. Statt dessen verwenden derzeit alle größeren Parteien ihre Energie darin, den fliehenden Roma jeden Weg zu versperren. Seit der Einstufung von Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina als sogenannte sichere Herkunftsstaaten im September 2014 folgt in atemberaubender Geschwindigkeit eine Gesetzesänderung auf die nächste. Die praktische Umsetzung eilt den rechtlichen Restriktionen oftmals noch voraus. Auch wenn Roma nur selten explizit genannt werden, sind sie unter den Hauptleidtragenden dieser Politik.
Ihr Recht auf ein faires Asylverfahren – ein individuelles Recht jedes Menschen – ist faktisch abgeschafft. Aufenthaltsrechte und Abschiebeschutz aus anderen Gründen wurden nebenbei ebenfalls ausgehebelt. Als Menschen aus „sicheren Herkunftsstaaten“ werden Roma nun in Erstaufnahmezentren untergebracht, Asyl-Schnellverfahren unterzogen und direkt wieder abgeschoben. Sie haben keine Chance mehr, ihre Rechte in Anspruch zu nehmen und erst recht nicht, in der Mehrheitsgesellschaft anzukommen. Wie in Bayern schon realisiert, sollen jetzt sogar gesonderte Erstaufnahmestellen für bestimmte Flüchtlinge, darunter Menschen aus sicheren Herkunftsstaaten, eingerichtet werden. Ihre Fluchtursachen bestehen fort, sie müssen weiterhin und immer wieder aufs Neue fliehen, haben aber nur die Wahl zwischen Lager und Abschiebung oder völliger Illegalität.
Kurz: Menschen werden sortiert nach Herkunft, einquartiert in Massenlagern, unter Anwendung von Zwang in Staaten verbracht, wo sie Verfolgung und Not ausgesetzt sind. Eine Minderheit, deren Angehörige vor rund 70 Jahren noch dem Vernichtungsprogramm der Nationalsozialisten zum Opfer fielen, so zu behandeln, kann nur als Schande bezeichnet werden.
Es ist daher eine gesellschaftliche Pflicht, gegen dieses Unrecht und für die Würde und Rechte der Roma aufzustehen. Beginnen wir jetzt und hier in Freiburg: Freiburg steht nicht nur für den Beginn der Verfolgung von Sinti und Roma, die hier 1498 für vogelfrei erklärt wurden. Freiburg ist heute auch die Stadt, in der Roma bis vor kurzem die Mehrheit der Geflüchteten ausmachten, wo sie bis 2012 direkt ankamen und ohne Asylantrag geduldet wurden, wo sich eine starke Bewegung der Solidarität gebildet hat. Dies ist der Weg, den wir weiterverfolgen müssen. Lassen wir nicht zu, dass die Kontinuität der Verfolgung sich durchsetzt! Wir fordern ein humanitäres Bleiberecht für die europäische Minderheit der Roma!
Freiburg, 7. April 2016
Freiburger Forum aktiv gegen Ausgrenzung