Massiver Anstieg von geplanten Sammelabschiebungen aus Baden-Württemberg

Vom 13. Juli an sind mindestens 15 Sammelabschiebeflüge aus Baden-Würrtemberg in nur sieben Wochen geplant. Pro Woche sollen mehr als 100 Menschen gegen ihren Willen aus Deutschland ausgeflogen werden.

Wie das Freiburger Forum aus zuverlässiger Quelle in Erfahrung bringen konnte, sollen in den nächsten Wochen eine große Zahl von Menschen systematisch aus Deutschland abgeschoben werden. Pro Woche soll es bis zu zwei Sammelabschiebungen aus Baden-Württemberg geben. Allwöchentlich organisiert die grün-rote Landesregierung unter Winfried Kretschmann (Grüne) und Innenminister Gall (SPD) nun also die polizeiliche Abschiebung von Menschen, die hofften, hier Zuflucht zu finden. Betroffen sein werden vermutlich Geflüchtete in ganz Deutschland, insbesondere jedoch in Baden-Württemberg lebende.

Zielländer der vom Baden-Airpark startenden Abschiebeflüge sind Serbien, Mazedonien und Kosovo. Nach unseren Informationen werden die Flüge nach Belgrad und Skopje immer montags um 10 Uhr vom Flughafen Karlsruhe/Baden-Baden starten, genauer: Am 13., 20. und 27. Juli sowie am 3., 10., 17. und 24. August. Nach Pristina im Kosovo sind jeweils mittwochs Flüge geplant, ebenfalls vom Baden-Airpark, und zwar am 15., 22. und 29. Juli, am 5., 12., 19. und 26. August sowie am 2. September; Start jeweils um 9:30 Uhr.

Der Protest und Widerstand gegen diese Hardliner-Politik wächst jedoch. In den letzten Wochen kam es regelmäßig zu Protestaktionen vor der LEA in Karlsruhe, Abschiebungen konnten nur durch den Einsatz von Polizeigewalt durchgesetzt werden. In Freiburg, Müllheim und Heidelberg wurden jüngst Abschiebungen durch den Widerstand von flüchtlingssolidarischen Menschen verhindert. „Auch in Zukunft werden Abschiebungen nicht ohne Protest und Widerstand stattfinden“, so das Freiburger Forum. „Wir werden keine Abschiebungen hinnehmen. Denn jede Abschiebung zerstört die gesellschaftliche Solidarität mit Geflüchteten. Das merken wir bei unserer flüchtlingssolidarischen Arbeit in Freiburg tagtäglich.“

Die aktuell geplante Abschiebewelle steht wohl auch in Zusammenhang mit der Überbelegung der Landeserstaufnahmestellen (LEA) in Baden-Württemberg. Regierungssprecher Rudi Hoogvliet erklärte, dass die Landesregierung „versuche, das so schnell wie möglich auf Normalbelegung zurückzuführen.“  Unsere Informationen zeigen nun, dass dies in Form einer massiv steigenden Zahl von Sammelabschiebungen geschehen soll, organisiert vom Regierungspräsidium Karlsruhe. „Das ist eine bedenkliche Entwicklung“, erklärt Leonie Förster vom Freiburger Forum. Es reiche wohl nicht, dass Baden-Württemberg bei der Zahl der Abschiebungen im Ländervergleich an zweiter Stelle hinter Bayern liegt, wie sich kürzlich der Sprecher von Regierungschef Winfried Kretschmann (Grüne) brüstetet [1].

Die Asylverfahren, für die das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zuständig ist, sollen weiter beschleunigt werden – mit dem Ziel, Platz zu schaffen und Menschen schneller abzuschieben. Parallel dazu plant das Land, dass Asylbewerber*innen in den LEAs bleiben müssen, bis über ihr Asylbegehren entschieden wurde. Eine Ausnahme sollen  nur diejenigen Asylbewerber*innen sein, die sicher mit einer Anerkennung rechnen können. Diese sollen schnell auf Landkreise und Gemeinden verteilt werden. Auch wenn dieser Schritt zu begrüßen ist, bedeutet dies in der Konsequenz nichts anderes, als dass Sonderlager für Geflüchtete aus den Westbalkanstaaten – vor allem Roma – geschaffen werden.

Mit diesen Sonderlagern wird die Devise, schutzbedürftige Menschen in „gute“ und „schlechte Flüchtlinge“ einzuteilen, praktisch umgesetzt. Ganz nach dem Motto: Die guten in die Gemeinden, die schlechten in die Abschiebelager. Das grundgesetzliche Individualrecht auf ein Asylverfahren wird für Flüchtlinge aus den Westbalkanstaaten zunehmend durch eine massenhafte Abfertigung und die möglichst direkte Abschiebung ausgehebelt. Außerdem wird durch den Verbleib in Sonderlagern verhindert, dass Menschen in Kontakt mit der Bevölkerung kommen und sich so eine Unterstützung und Solidarität etablieren kann, die notwendig ist, um die vorhandenen rechtlichen Möglichkeiten auszuschöpfen.

Das Freiburger Forum kritisiert seit langem, dass die reale Situation von Roma auf dem Balkan verkannt wird. Die Minderheit ist mit umfassender Diskriminierung konfrontiert. Sie sind massiv von Armut und Ausgrenzung betroffen. Kinder finden keinen Zugang zu schulischer Bildung, Erwachsene haben keine Chance auf reguläre Arbeit, Krankheiten werden nicht angemessen behandelt, die Lebenserwartung ist erheblich verringert.  „Deswegen fordern wir ein humanitäres Bleiberecht für diese Menschen“, erklärt Leonie Förster. Die derzeitigen enorm kurzen Asylverfahren ließen bezweifeln, dass sie rechtsstaatlichen Grundsätzen entsprechen. „Dass das Land Baden-Württemberg nun versucht, diese Menschen in den nächsten Wochen in Windeseile außer Land zu schaffen, ist erneut Zeugnis davon, dass die Brutalität gegenüber ungewollten Menschen leider zunimmt“, so Förster. Anstatt sich für ein humanitäres Bleiberecht für Geflüchtete aus den Westbalkanstaaten einzusetzen – das die Landesregierung selbsttätig erlassen und damit den hier lebenden Menschen eine Perspektive in Baden-Württemberg zu verschaffen könnte -, setzt Grün-Rot weiter auf Abschottung und Abschiebung und verfolgt damit das Gegenteil einer flüchtlingssolidarischen Politik.

Freiburger Forum aktiv gegen Ausgrenzung
Freiburg den 1. Juli 2015

[1] http://www.swp.de/ulm/nachrichten/suedwestumschau/Zweiter-Fluechtlingsgipfel-als-Reaktion-auf-Hilferufe;art4319,3294403

 

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