Bon Courage e.V. verurteilt die Abschiebung einer türkischstämmigen Frau und deren elfjährigen Tochter nach Mazedonien in der Nacht von 27. zum 28. Mai.
Vereinsvorsitzende Münch fordert die sofortige Aufhebung der Einreisesperre und die Ermöglichung der Wiedereinreise.
Weinend schaut sich die Viertklässlerin Chala D. zwei Uhr nachts ein letztes Mal in ihrem Kinderzimmer um und beginnt dann wie automatisiert ein paar persönliche Sachen in ihren kleinen, grünen Koffer zu werfen. Im selben Moment hockt im Nebenzimmer ihre Mutter laut schreiend und von Angst gepackt; unfähig der polizeilichen Anweisung, sie solle ihre wenigen Habseligkeiten zusammenpacken, nachzukommen. Ohne diese startet nur wenige Stunden später das Flugzeug und landet nach einer fast 20 Stunden andauernden Rückführ-Tortur in dem Land, aus welchen Mutter und Kind drei Jahre zuvor, traumatisiert durch die Gewalt und der Morddrohungen der eigenen Familie, geflohen sind.
Der Verein Bon Courage e.V. kritisiert das Handeln der Ausländerbehörde, welche ohne Berücksichtigung gefürchteter Folgen die Abschiebung einleitete und die Familie damit in eine menschenunwürdige, kindeswohlgefährdende Lebenssituation brachte. In Mazedonien kann die türkischsprachige Analphabetin Frau D. wegen fehlenden Mazedonisch-Kenntnissen weder für den Lebensunterhalt sorgen, noch hat sie aufgrund des väterlichen Reichtums ein Anspruch auf Sozialhilfe. Auf die Unterstützung ihrer Familie kann sie nicht hoffen, da sie vor allem in den Augen ihres Vaters und Bruders durch unehelichen Geschlechtsverkehr Schande über die Familie gebracht hat und die Ehre der Familie nur mit ihrem Tod wiederhergestellt werden kann. „Momentan sind sie obdachlos und haben nur 300 € in der Tasche. Zudem hat sich der gesundheitliche Zustand von Frau D. seit der Ankunft in Mazedonien extrem verschlechtert.“, so die Vereinsvorsitzende Sandra Münch.
Die 31-jährige Frau leidet unter einer Posttraumatischen Belastungsstörung, Suizidalität, Depressionen sowie Angstzuständen und benötigt aus diesem Grund dringend eine psychologische und psychiatrische Behandlung. „Gemeinsam mit dem Sächsischen Flüchtlingsrat e.V. haben wir die therapeutischen Behandlungsmöglichkeiten in Mazedonien überprüft, mit der Erkenntnis, dass die junge Frau durch den fehlenden Zugang zu staatlicher Sozialhilfe nicht krankenversichert ist und damit keine Möglichkeit einer psychologischen Behandlung hat“, kritisiert Münch und ergänzt „Ferner wird Chala wegen nicht vorhandener Mazedonisch-Kenntnisse ab sofort nicht mehr zur Schule gehen können“. Im Sommer wäre die Elfjährige, die mittlerweile Deutsch besser als ihre Muttersprache spricht, von der Grundschule auf die Mittelschule gewechselt und auch ihre Mutter besuchte seit mehreren Monaten eine Schule, um endlich das Lesen und Schreiben zu erlernen.
Gegen eine Abschiebung sprach für den Verein auch die Verlobung von Frau D. mit einem Bornaer im vergangenen Januar. Seitdem fehlte für die standesamtliche Eheschließung einzig und allein noch die Kopie ihres Reisepasses, welcher bei der Zentralen Ausländerbehörde in Chemnitz lag und erst vor über drei Wochen durch das Bornaer Standesamt beantragt wurde. „Da die Zentrale Ausländerbehörde offenbar zeitgleich die Abschiebung vorbereitete, vermuten wir eine bewusste Verzögerung der Ausstellung. In diesem Fall hätte die ZAB dem Paar das Grundrecht auf Ehe und Familie versagt.“ Seit vergangenem Freitag weiß das Paar auch, dass sie in naher Zukunft ein gemeinsames Kind haben werden.
Der Verein fordert die Zentrale Ausländerbehörde in Chemnitz sowie die Ausländerbehörde des „familienfreundlichen“ Landkreises Leipzig dazu auf, die Einreisesperre mit sofortiger Wirkung aufzuheben und eine Wiedereinreise von Mutter und Kind zu ermöglichen, um sie aus der menschenunwürdigen Situation herauszuholen und dem Recht auf Ehe und Familie nicht im Wege zu stehen.
Weitere Informationen unter www.boncourage.de
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