Integrationsgipfel 20 Jahre nach Solingen

Vertane Chance: Über Rassismus wird nicht gesprochen

Pressemitteilung / PRO ASYL / 28.05.2013. Der heutige sechste Integrationsgipfel der Bundesregierung findet fast auf den Tag genau 20 Jahre nach dem rechtsextremistischen Brandanschlag von Solingen statt, bei dem fünf türkeistämmige Mädchen und Frauen starben und weitere Menschen schwer verletzt wurden. Der Interkulturelle Rat, PRO ASYL und der Verband binationaler Familien und Partnerschaften kritisieren, dass die Bundesregierung den Integrationsgipfel nicht dazu nutzt, mit der Zivilgesellschaft über Rassismus als Menschenrechtsverletzung und Integrationshindernis zu sprechen und gemeinsame Konzepte zu seiner Überwindung auf den Weg zu bringen. Der Gipfel sei eine vertane Chance im Kampf gegen Rassismus und Diskriminierung.

„Deutschland hat ein Rassismus-Problem, das endlich auf die Tagesordnung des Integrationsgipfels gesetzt werden muss“, erklären die Geschäftsführer der drei Organisationen.  Sie weisen darauf hin, dass die Opfer des Solinger Brandanschlags sich in die mehr als 180 Menschen einreihen, die nach Recherchen der Amadeo Antonio-Stiftung im Kontext rechtsextremistischer und rassistischer Gewalt seit 1990 ums Leben gekommen sind.

„Diese Tötungsdelikte sind nur die Spitze des Eisbergs. Nach den aktuellen Daten des Bundesinnenministeriums haben als ‚fremdenfeindlich‘ klassifizierte Straf- und Gewalttaten im Jahr 2012 erneut stark zugenommen. Und die Ignoranz der Behörden z.B. gegenüber den NSU-Morden lässt eine hohe Dunkelziffer befürchten.“ Gleichzeitig machen repräsentative Einstellungsbefragungen regelmäßig deutlich, dass die Ablehnung von gesellschaftlichen Minderheiten und die Bereitschaft zu ihrer Diskriminierung auch in der Mitte der Gesellschaft fest verankert sind. Die Bundesregierung in Person von Bundesinnenminister Friedrich fördert in der aktuellen Debatte um die Freizügigkeit in der Europäischen Union solche Ressentiments insbesondere gegenüber Roma.

„Wer Rassismus überwinden will, muss die bestehenden Verhältnisse offen benennen und aktiv angehen. Die Bundesregierung tut das Gegenteil. Sie ersetzt notwendiges Handeln durch wohlfeile Gipfel und schiebt die Verantwortung für fortbestehende oder neu entstehende Integrationsprobleme nach altbewährtem Konzept gesellschaftlichen Minderheiten in die Schuhe.“   Notwendig ist aus der Sicht von Interkulturellem Rat, PRO ASYL und dem Verband binationaler Familien und Partnerschaften stattdessen eine umfassende und handlungsorientierte gesamtgesellschaftliche Strategie gegen Rassismus und Diskriminierung, die

· der institutionellen und gesetzlichen Ausgrenzung gesellschaftlicher Minderheiten entgegenarbeitet;
· auf die Überwindung rassistischer Einstellungen und Vorurteilsstrukturen hinwirkt;
· dauerhafte Strukturen und Projekte gegen Rassismus und Diskriminierung ausbaut und fördert;
· den rechtlichen Schutz vor Rassismus und Diskriminierung ausweitet und
· die Opfer von Rassismus und Diskriminierung bei der Durchsetzung ihrer Rechte unterstützt.

„Ein Integrationsgipfel, der sich am 20. Jahrestag des Solinger Brandanschlages nicht mit Rassismus und Diskriminierung in der Bundesrepublik Deutschland beschäftigt, ist ein verlorener Gipfel“, so die Geschäftsführer der drei Organisationen abschließend.

gez.  · Torsten Jäger, Geschäftsführer Interkultureller Rat
· Günter Burkhardt, Geschäftsführer PRO ASYL
· Hiltrud Stöcker-Zafari, Geschäftsführerin Verband binationaler Familien und Partnerschaften

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