Protest in Tunesien – Wo sind die Bootsflüchtlinge?

Heute am 18. Dezember 2011 ab 10.30 Uhr fand in Tunis auf dem Platz der Menschenrechte vor dem Palais de Congres eine Kundgebung zum Tag der Rechte der MigranInnen und Flüchtlinge statt. Ursprünglich sollte das „Sit in“ vor der italienischen Botschaft sein, aber da dort sonntags niemand ist, wurde es an diesen Ort verlegt.

Das „Tunesische Forum für ökonomische und soziale Rechte“ hatte dazu aufgerufen und war mit mehreren Personen präsent. Es kamen Vereinigungen und ca. 150-200 Familien von „disparus“ = verschwundenen Bootsflüchtlingen – die meisten aus dem Raum Tunis, aber einige auch von weit her, und mehr wollten kommen, wurden aber durch schlechte Wetter- und Straßenverhältnisse daran gehindert (es schneit hier in den Bergen).

Die Familien hielten Fotos, Ausweise und Plakate mit den Bildern ihrer vermissten Söhne, Brüder, Neffen… hoch und forderten Aufklärung über deren Verbleib. Manche Familien wissen, dass ihre Angehörigen in Italien ankamen, einige haben sogar Fernsehaufnahmen davon, aber danach haben sie nichts mehr von ihnen gehört. Zusammen mit dem Forum haben sie an die neue tunesische Regierung geschrieben und fordern, dass sie Druck auf die italienische Regierung ausübt, um die Akten, incl. Fingerabdrücke, der dort inhaftierten Bootsflüchtlinge zu erhalten. Hier in Tunesien soll eine Untersuchungskommission zu den Verschwundenen gebildet werden. Die Familien waren sehr aufgebracht, einige Frauen weinten, und manchen war es nicht genug, nur mit Plakaten an der Straße zu stehen und sie versuchten kurzzeitig, den Verkehr zu blockieren. Die AktivistInnen vom Forum redeten mit den Familien und verabredeten für nächste Woche ein Sit-in vor dem Sitz der Verfassunggebenden Versammlung im Stadtteil Bardo (dort finden z.Zt. ständig Sit-ins statt und gestern gab es auch eine Kundgebung von ca. 1000 Leuten zum Jahrestag des Aufstandsbeginns in Sidi Bouzid – dort waren den ganzen Tag Zigtausende zu einer Feier).

Wir verteilten Flyer zur Vorstellung von Afrique-Europe Interact und dem boats4people-Projekt, die sehr interessiert genommen wurden. Die Forderung nach Bewegungsfreiheit ist ganz wesentlich. Unser Transparent „Freedom not Frontex!“ wurde von vielen fotografiert.Es waren vier Fernsehsender (3 tunesische und Aljazeera) sowie Radios und Presseleute vor Ort, und die Familien schilderten ihnen ihre Geschichten und Forderungen. Wir trafen auch einige Familienangehörige, die in Italien, Deutschland oder Belgien leben oder gelebt haben und Kontakte dort haben.

Für die Bootsaktion im Juli wäre das sehr wichtig, zusammen zu arbeiten. Heute um 14 Uhr gibt es ein Vorbereitungstreffen zu boats4people mit den AktivistInnen vom Forum. Um 17 Uhr findet im Städtischen Theater von Tunis eine One Man Show“Harak yetmann“ mit dem hier sehr bekannten Kabarettisten Raouf Ben Yaghlane statt. Das Stück, das auf Informationen u.a. von Mehdi Mabrouk und Familien von Vermissten basiert, erzählt Geschichten von sans papiers, die versucht haben, nach Europa auszuwandern.

Bericht aus Tunis von einer Delegation von Afrique-Europe Interact und dem boats4people-Projekt


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