16.06.2011 05:00 / Suddeutsche Zeitung
Menschenrechtsbeauftragter für Einsatz in Tunesien
München – Es geht um etwa 8000 Menschen, die an Libyens Grenzen festsitzen. Eritreer, Äthiopier oder Somalier, die vor den Bomben geflohen sind, nun aber keinen Ausweg finden: Nicht zurück ins Kriegsgebiet, weil dort weiter geschossen wird, nicht in ihre alte Heimat, weil sie dort ebenfalls Kämpfe oder Verfolgung erwarten. Sie vegetieren beiderseits der Grenze, denn auch die Zufluchtsländer Tunesien und Ägypten wollen nicht noch mehr Flüchtlinge aufnehmen und weisen viele an der Grenze ab.
Angesichts dieser Lage spricht sich der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Markus Löning (FDP), nun dafür aus, Flüchtlinge von der libyschen Grenze in Deutschland und der EU aufzunehmen. ‚Diese Menschen direkt aus Tunesien zu holen, wäre ein gutes Zeichen‘, sagte Löning der Süddeutschen Zeitung. ‚500 Millionen Europäer sollten sich nicht von 5000 humanitären Flüchtlingen abschrecken lassen.‘ Damit fordert erstmals ein Regierungsmitglied eine Direktaufnahme von Flüchtlingen aus Nordafrika. Bislang lehnt die Bundesregierung dies ab, Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) betont, man müsse den Flüchtlingsstrom durch Hilfe für die Herkunftsländer begrenzen.
Einen Verbleib der Flüchtlinge in Tunesien hält das UN- Flüchtlingshilfswerk UNHCR jedoch selbst bei westlicher Unterstützung für kaum machbar. Diese Länder seien überfordert, selbst wenn die EU dort Lager finanzieren würde, sagte der UNHCR-Chef für Deutschland und Österreich, Michael Lindenbauer. Mehr als eine Million Menschen seien bereits durch die Nachbarstaaten geflohen. Lindenbauer appellierte an die Bundesregierung, einen Teil der etwa 8000 Flüchtlinge aufzunehmen, die UNHCR besonders in Gefahr sieht. ‚Ihre Situation ist nach wie vor extrem schwierig – man muss schnell handeln‘, sagte Lindenbauer. Viele von ihnen würden ansonsten die hochriskanten Bootsfahrten über das Mittelmeer nach Europa wagen. ‚Das müssen wir verhindern.‘ Bei den Überfahrten sollen nach Einschätzung von UNHCR allein seit Ende März etwa 1500 Flüchtlinge umgekommen sein. Andere Staaten haben bislang zugesagt, gut 900 der 8000 Menschen anzusiedeln.