„Humanität hat Vorrang“ / Zur Flüchtlingspolitik S.73
„Wir setzen uns an der Seite der Flüchtlingsverbände, der Kirchen und anderer Initiativen für einen humaneren Umgang mit Flüchtlingen ein. Entlang ihrer integrationspolitischen und humanitären Eignung wollen wir alle landeseigenen Erlasse, Anwendungshinweise und die dazugehörige Verwaltungspraxis überprüfen und gegebenenfalls anpassen.
Die Probleme der Kettenduldung bzw. der fehlenden Aufenthaltsperspektive sind durch die bestehende Bleiberechtsregelung für langjährig geduldete und integrierte Flüchtlinge und Asylbewerberinnen und Asylbewerber nicht gelöst worden. Wir werden uns deshalb im Bundesrat sowie in der Innenministerkonferenz für eine neue gesetzliche Bleiberechtsregelung einsetzen, welche an humanitären Kriterien ausgerichtet ist. Darüber hinaus werden wir auf Landesebene zeitnah Verwaltungsregelungen erlassen, um die neue gesetzliche Bleiberechtsregelung für Jugendliche in die Praxis umzusetzen.
Die Lebenssituation von Flüchtlingen und Asylbewerbern verbessern In Baden-Württemberg leben zahlreiche Menschen, die ihre Heimat verlassen haben und nicht als Asylbewerberinnen und Asylbewerber anerkannt wurden. Es ist ein Gebot der Menschlichkeit, dass diese Menschen in ihren Grundbedürfnissen versorgt werden. In erster Linie müssen wir den ungehinderten Zugang zu medizinischer Versorgung gewährleisten. Das gleiche gilt für den Zugang der Kinder zu Bildungseinrichtungen.
Darüber hinaus wollen wir in enger Zusammenarbeit mit den Kommunen die Unterbringungs- und Versorgungssituation mit Blick auf humanitäre Kriterien kritisch prüfen und schrittweise verbessern. Wir werden die Residenzpflicht abschaffen, so dass sich die betroffenen Personen nicht nur im Landkreis, sondern im ganzen Land frei bewegen können. Die Abschiebehaft soll nur als letztes Mittel zur Anwendung kommen und bei besonders schutzbedürftigen Personen, zum Beispiel bei Minderjährigen und Traumatisierten ausgeschlossen werden. Abschiebungen in Länder, in denen die Sicherheit und Integration der rückzuführenden Menschen nicht gewährleistet werden kann, werden wir im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten aussetzen.
Wir erkennen die Notwendigkeit der Aufnahme schutzbedürftiger Personen an und werden uns im Rahmen bundesweiter Programme für Resettlement (Neuansiedlung von Schutzbedürftigen aus Drittländern) zur jährlichen Aufnahme eines angemessenen Kontingents von Flüchtlingen verpflichten. In den vergangenen Jahren hat sich die Härtefallkommission sehr bewährt. Wir wollen an diesem Gremium festhalten und werden die Besetzung prüfen und gegebenenfalls ergänzen. Die Landesregierung wird sehr verantwortungsvoll mit den Ersuchen der Härtefallkommission umgehen.
Wir werden auf Bundesebene für eine Aufhebung des Asylbewerberleistungsgesetzes eintreten. Auf Landesebene werden wir uns dafür einsetzen, dass trotz bundesgesetzlicher Vorgaben das Sachleistungsprinzip schrittweise aufgelockert und auf humanere Sachleistungen bzw. auf Geldleistungen umgestellt wird. Die Lebenssituation von Menschen ohne legalen Aufenthaltsstatus muss ebenfalls verbessert werden. Auch für sie muss der Zugang zu Bildung und zum Gesundheitssystem gewährleistet sein. Wir wollen, dass „humanitäre Hilfe“ für Menschen ohne Papiere nicht kriminalisiert wird.“