Auf der Suche nach neuen Spargelstechern

Badische Zeitung 21. April 2011 /Daniela Weingärtner

Europäischer Arbeitsmarkt
Unternehmer in der EU haben großen Bedarf an Saisonarbeitern – aber sie bekommen sie oft nur auf illegalem Weg.

Mancher Spargelbauer macht sich dieser Tage Sorgen um seine polnischen Erntehelfer. Denn zum Jahresbeginn sind zunächst die Arbeitsbeschränkungen für Saisonarbeiter gefallen. Ab 1. Mai aber gilt völlige Freizügigkeit. Nur Bulgaren und Rumänen brauchen weiterhin eine Sondererlaubnis, um in Deutschland zu arbeiten. Das bedeutet, dass die als Erntehelfer sehr beliebten Polen nach sieben Jahren Übergangsfrist Arbeitnehmern aus anderen EU-Ländern gleichgestellt sind. Für sie eröffnen sich nun attraktivere Möglichkeiten als das Spargelstechen.

Ersatz aus der Ukraine, Moldawien oder den von Unruhen geschüttelten nordafrikanischen Ländern ließe sich mühelos finden. Doch die bürokratischen Hürden sind enorm hoch. Die meisten EU-Mitgliedsstaaten werben zwar mittlerweile um qualifizierte Fachkräfte aus dem Ausland, doch einfache Arbeiten sollen lieber die einheimischen Langzeitarbeitslosen übernehmen. So jedenfalls argumentieren viele Politiker – gerade in Deutschland. In der Praxis aber funktioniert das selten. Die Obst- und Gemüseernte ist anstrengend, viele Langzeitarbeitslose schaffen das körperlich nicht oder bringen nicht die Disziplin auf.

1999 haben sich die damals noch 15 EU-Mitgliedsstaaten bei einem Treffen im finnischen Tampere darauf verpflichtet, gemeinsame Mindeststandards für Einwanderung zu schaffen. Illegale Migranten sollten konsequent abgeschoben und gleichzeitig die legalen Arbeitsmöglichkeiten verbessert werden. Bei der Grenzsicherung und der Abwehr Illegaler hat die gemeinschaftliche Politik seither Fortschritte gemacht. Doch wenn die EU-Kommission Vorschläge für erleichterte Einwanderung macht, beißt sie bei den meisten Mitgliedsstaaten und besonders bei Deutschland auf Granit. Großen Streit gab es schon 2007 um die „Blue Card“, die qualifizierten Arbeitskräften die Einreise nach Europa erleichtern soll. Fast unüberwindlich scheinen die Hindernisse bei der Richtlinie für Saisonarbeiter, die die Kommission Juli 2010 vorlegte.

Wer Illegale beschäftigt, hat Wettbewerbsvorteile

Um endlich Bewegung in die Debatte zu bringen, hat das EU-Parlament als Mitgesetzgeber am Mittwoch im EU-Parlament eine große Anhörung zu dem Thema veranstaltet. Sverker Rudeberg, Experte für Immigration beim Europäischen Arbeitgeberverband, bestätigte den Abgeordneten, dass die Unternehmen großen Bedarf an Saisonarbeitern hätten. Doch derzeit sei es fast unmöglich, sie auf legalem Weg zu bekommen. „Illegale kann man finden. Die Mitgliedsstaaten tolerieren das. Also haben diejenigen Unternehmen einen Wettbewerbsvorteil, die gegen die Gesetze verstoßen.“ Sein Verband wolle genau das Gegenteil erreichen, nämlich dass die ehrlichen Unternehmer bevorzugt würden.

Der Haupteinwand gegen das neue Gesetz, der auch von vielen konservativen Abgeordneten vorgebracht wurde, ist nachvollziehbar: Wer garantiert, dass die Saisonarbeiter die EU wieder verlassen, wenn ihr Arbeitsvisum ausläuft? Ist es nicht naheliegend, dass junge Männer aus Nordafrika oder den ehemaligen Sowjetstaaten mit einem zeitlich begrenzten Visum einreisen und später in die Illegalität abtauchen? Die 20 000 tunesischen Flüchtlinge, die derzeit von der italienischen Regierung zeitlich begrenzte Schengenvisa erhalten, werden es bestimmt genau so machen.

Abhilfe könnte eine Richtlinie schaffen, die die EU-Kommission bereits 2009 auf den Weg brachte und die bis zum 20. Juli in allen EU-Staaten umgesetzt sein muss. Sie sieht empfindliche Strafen für Arbeitgeber vor, die illegal eingereiste Wirtschaftsflüchtlinge beschäftigen. Ein solches Gesetz könnte dazu führen, dass sich künftig diejenigen Unternehmen im Wettbewerbsvorteil befinden, die um legale Saisonarbeiter werben und alle gesetzlichen Vorgaben beachten. Das Problem ist nur: Diese legale Möglichkeit gibt es eben noch nicht. Seit fast einem Jahr hängt der Gesetzentwurf in den beim Rat der Mitgliedsstaaten zuständigen Gremien fest. Eine Ratsvertreterin erklärte, die Interessen der Mitgliedsstaaten seien sehr unterschiedlich. „Die Länder haben unterschiedliche, aber jeweils sehr erfolgreiche Systeme, sie definieren Saisonarbeit verschieden. Für einige sind Sechsmonatsvisa schon sehr lang, für andere Länder wiederum zu kurz.“

Lippenbekenntnisse der Regierungen

Das Gesetz gegen Schwarzarbeit, das zum 20. Juli eigentlich überall in der EU umgesetzt sein müsste, stößt bei den Mitgliedsstaaten auf wenig Gegenliebe. Nur Spanien hat es vollständig umgesetzt, Lettland und Litauen teilweise. Die Rufe nach legalen Arbeitsmöglichkeiten und einer einheitlichen EU-Immigrationspolitik scheinen für viele Regierungen reine Lippenbekenntnisse zu sein. Es ist eben für viele Unternehmen sehr bequem, illegale Flüchtlinge zu beschäftigen, für die es keine sozialen Mindeststandards gibt und die sich nirgendwo beschweren können, wenn sie ausgebeutet werden.

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