Meldung vom Dienstag den 8.02.2011 – Abgelegt unter: Aktuelles, Pressemitteilungen
Wie dem heutigen Bericht aus der Hildesheimer Allgemeinen Zeitung zu entnehmen ist, hat die Rektorin der Molitoris-Schule, deren Stellungnahme über Anuar von der Ausländerbehörde als Rechtfertigung für eine Abschiebung herangezogen wurde, nicht nur mündlich, sondern auch schriftlich Stellung genommen. Diese Stellungnahme liegt jedoch bis heute weder der Familie noch dem Anwalt Sonnenberg vor, ihr Inhalt lässt sich nur aus einem Aktenvermerk erschließen, den der Landkreis Hildesheim am 20.01.2011 erstellt hat.
In diesem Vermerk heißt es wörtlich: “Die Lehrerin bescheinigte am 17.01.2011, dass Anuar den Hauptschulabschluss wohl erreichen wird, so dass von einem erfolgreichen Schulbesuch auszugehen ist.” Die Abschiebungsentscheidung begründet der Vermerk mit dem Kopfnoten des Jungen: “Laut Bescheinigung der Schule entspricht sein Arbeitsverhalten seit 2008 den Erwartungen nur mit Einschränkungen, da er wenig Arbeitseinsatz zeigt, Hausaufgaben häufig fehlen und für Arbeiten nicht gelernt wird.” Sein Zeugnis weise keine guten Noten auf. Anuar “sei faul und an anderen Dingen interessiert (gut aussehen, Mädchen beeindrucken)”. Außerdem sei ein Ermittlungsverfahren gegen den Jungen anhängig, das laut Aussagen der Staatsanwaltschaft eine maßvolle Strafe in Form einer Verurteilung zu gemeinnütziger Arbeit nach sich ziehen könne. Vor diesem Hintergrund sei “nicht davon auszugehen, dass Anuar Naso sich in die hiesigen Lebensverhältnisse dauerhaft vollständig einfügen wird”. Die Abschiebung müsse nicht ausgesetzt werden, sondern könne terminiert werden.
Am Ende des Vermerks wird der Leiter des Ordnungdezernats “um Zustimmung zur Terminierung der Abschiebung ohne vorherige Ankündigung” gebeten. Seine schriftliche Antwort (mit Ausrufungszeichen und Unterschrift): “Ja!”
Der Vermerk und seine Begründung verdeutlichen noch einmal, dass der Landkreis Hildesheim in diesem wie in anderen Fällen bestehende Ermessensspielräume regelmäßig zuungunsten der Betroffenen auslegt. Die Abschiebungsentscheidung war keineswegs zwingende Konsequenz aus geltendem Recht. Verhältnismäßig und sachgerecht wäre es gewesen, der Familie ein Aufenthaltsrecht einzuräumen und zumindest das Schuljahr und den Ausgang des Strafverfahrens abzuwarten.
Auch der Verzicht auf die Ankündigung des Abschiebungstermins war eine bewusste politische Entscheidung. Der Landkreis hielt es für überflüssig, der Familie nach über zehnjährigem Aufenthalt die Möglichkeit einzuräumen, sich von Angehörigen und Freunden zu verabschieden und in Ruhe ihre persönlichen Sachen zu ordnen, ggfs. auch weitere Rechtsmittel einzulegen, die naturgemäß im Eilverfahren am Tag der Abschiebung nicht mehr vernünftig vorbereitet werden konnten. Das Diskriminierungsbedürfnis des Landkreises Hildesheim sitzt tief.
gez. Kai Weber