Suizidversuch – Tragödie in zweiter Generation

taz-nord 8.12.2010

Ein Rom hat versucht, sich in der Hamburger Abschiebehaft zu erhängen. Verhaftet wurde er am Todestag seines Vaters. Der verbrannte sich 2002 im Syker Rathaus – aus Angst vor Abschiebung

Ein 22-jähriger serbischer Rom hat am vergangenen Donnerstag versucht, sich in der Abschiebehaft der JVA Billwerder in Hamburg umzubringen. Aus Verzweiflung über seine drohende Abschiebung versuchte Miroslaw Redepovic sich mit Schnürsenkeln in seiner Zelle zu erhängen. Nach Angaben seines Anwalts Enno Jäger hatte er zuvor versucht, sich mit Rasierklingen Verletzungen zuzufügen.

Ein Sprecher der Hamburger Justizbehörde bestätigte, dass Redepovic gegen zwölf Uhr „noch atmend“ aufgefunden worden sein. Er sei zunächst zur Beobachtung in einen besonderen Haftraum gebracht worden. Am nächsten Tag wurde er in die psychiatrische Abteilung des Klinikums Ochsenzoll überstellt. Dort wird er seitdem medikamentös behandelt.

Der Vorfall ist besonders tragisch, weil Miroslaws Vater Milos Redepovic sich 2002 – ebenfalls aus Angst vor einer drohenden Abschiebung – verbrannt hatte. Der damals 34-jährige Rom hatte sich im Foyer des Rathauses der niedersächsischen Stadt Syke bei Bremen mit Benzin übergossen und angezündet. Er starb einen Tag später, am 16. November, an seinen Verbrennungen. Der Asylantrag der Familie, die 1995 nach Deutschland kam, war abgelehnt worden. Redepovic hinterließ seine Frau Ljalje und fünf minderjährige Kinder – das älteste ist der damals 14-jährige Miroslaw.

In einer Erklärung gab der Bürgermeister von Syke dem Vater die Schuld am Schicksal der Familie. Denn trotz aller Proteste schob das niedersächsische Innenministerium die gesamte Familie zwei Jahre später nach Serbien ab. Die Witwe Ljalje erkrankte dort an Krebs, im Herbst 2010 entdeckten Ärzte bei ihr neue Tumore.

Ihr Sohn Miroslaw hatte sich im Oktober dieses Jahres auf eigene Faust wieder auf den Weg nach Deutschland gemacht. In Hamburg lebt eine Tante von ihm – bei ihr fand er Unterschlupf. Doch bereits kurz nach seiner Auskunft – und ausgerechnet am 16. November, dem achten Jahrestag des Suizids seines Vaters – griff die Hamburger Polizei ihn dort auf.

Redepovic wurde in Haft genommen, er stellte dort einen Asylantrag. „Der wurde sofort abgelehnt“, berichtet der Anwalt Jäger. Er will jetzt gegen diese Ablehnung klagen.

Zuerst jedoch wird das Amtsgericht heute darüber entscheiden, ob Redepovic im Haft bleiben muss. Die Ausländerbehörde hatte die Abschiebehaft zunächst nur bis heute beantragt. „Gut möglich, dass er dachte, er wird heute abgeschoben – und deswegen versucht hat, sich umzubringen“, sagt Jäger.
CHRISTIAN JAKOB

Sechs Jahre nach seiner Abschiebung machte sich Miroslaw wieder auf den Weg nach Deutschland

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