Asylbewerber sind gesetzlich verpflichtet, sich zur Feststellung ihrer Identität Fingerabdrücke abnehmen zu lassen.
Vereiteln sie deren Auswertbarkeit durch Manipulation ihrer Fingerkuppen, kann das Asylverfahren wegen Nichtbetreibens eingestellt werden, ohne dass eine Entscheidung über die Begründetheit des Asylgesuchs getroffen wird. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden.
BVerwG: http://www.bverwg.de/presse/pressemitteilungen/pressemitteilung.php?jahr=2013&nr=61
Der Entscheidung lag der Fall eines Asylbewerbers zugrunde, der keine Identitätspapiere vorlegte und angab, somalischer Staatsangehöriger zu sein. Ihm wurden vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge – Bundesamt – am Tag der Asylantragstellung Fingerabdrücke abgenommen. Deren Auswertung zum Zweck des Abgleichs mit der Europäischen Fingerabdruckdatenbank (EURODAC) war jedoch nicht möglich. Der mit der Abnahme der Fingerabdrücke befasste Mitarbeiter vermerkte Spuren von Manipulationen an den Fingerkuppen. Daraufhin wurde der Kläger schriftlich aufgefordert, sein Asylverfahren u.a. dadurch zu betreiben, dass er binnen eines Monats in der Außenstelle des Bundesamtes erscheine und sich „auswertbare Fingerabdrücke“ abnehmen lasse. Nachdem sich auch die in einem zweiten Termin abgegebenen Fingerabdrücke des Klägers als nicht auswertbar erwiesen, stellte das Bundesamt mit Bescheid vom 27. Oktober 2010 fest, dass der Asylantrag als zurückgenommen gilt, das Asylverfahren eingestellt ist und Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AsylVfG nicht vorliegen. Dem Kläger wurde die Abschiebung in den Herkunftsstaat angedroht.
Verwaltungsgericht und Bayerischer Verwaltungsgerichtshof haben die Voraussetzungen der §§ 32, 33 Abs. 1 AsylVfG* für die Verfahrenseinstellung wegen Nichtbetreibens als nicht erfüllt angesehen, weil die bloße Duldungspflicht kein Manipulationsverbot oder die Pflicht zur Abgabe verwertbarer Fingerabdrücke umfasse. Offen gelassen wurde, ob der Kläger die Unverwertbarkeit seiner Fingerabdrücke zu vertreten habe.
Der 10. Revisionssenat des Bundesverwaltungsgerichts hat die Sache an den Verwaltungsgerichtshof zurückverwiesen. Ein Asylbewerber ist zwar nicht verpflichtet, positiv die Auswertbarkeit seiner Fingerabdrücke zu garantieren. Aus der Pflicht, die Abnahme der Fingerabdrücke zu dulden (§ 15 Abs. 2 Nr. 7 AsylVfG), folgt aber auch die Pflicht, jede Manipulation seiner Fingerkuppen zu unterlassen, die die Auswertbarkeit der Fingerabdrücke beeinträchtigen könnte. Denn nur bei auswertbaren Fingerabdrücken kann geklärt werden, ob der Asylantrag unzulässig ist, weil schon in einem anderen Staat der Europäischen Union um Schutz nachgesucht worden ist. Bei Anhaltspunkten für Manipulationen besteht ein berechtigter Anlass für eine Betreibensaufforderung nach § 33 Abs. 1 AsylVfG. Der Asylbewerber hat dann einen Monat Zeit, die geforderte Mitwirkungshandlung zu erbringen. Geschieht dies nicht, etwa weil die Fingerabdrücke wegen einer Manipulation der Fingerkuppen erneut nicht ausgewertet werden können, hat das Bundesamt das Asylverfahren einzustellen, ohne eine Sachentscheidung über das Asylbegehren zu treffen. Der Verwaltungsgerichtshof wird nun u.a. festzustellen haben, ob sich der Vorwurf des Bundesamtes bestätigt, der Kläger habe seine Fingerkuppen manipuliert.
In einem weiteren Verfahren (BVerwG 10 C 3.13) wurde entsprechend entschieden.
BVerwG 10 C 1.13 – Urteil vom 05. September 2013
Vorinstanzen:
VGH München 20 B 12.30300 – Urteil vom 14. Januar 2013
VG Regensburg RN 7 K 10.30552 – Urteil vom 13. Dezember 2011
* § 33 Abs. 1 AsylVfG lautet: „Der Asylantrag gilt als zurückgenommen, wenn der Ausländer das Verfahren trotz Aufforderung des Bundesamtes länger als einen Monat nicht betreibt. In der Aufforderung ist der Ausländer auf die nach Satz 1 eintretende Folge hinzuweisen.“
§ 32 AsylVfG lautet: „Im Falle der Antragsrücknahme oder des Verzichts gemäß § 14a Abs. 3 stellt das Bundesamt in seiner Entscheidung fest, dass das Asylverfahren eingestellt ist und ob ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 2 bis 5 oder Abs. 7 des Aufenthaltsgesetzes vorliegt. In den Fällen des § 33 ist nach Aktenlage zu entscheiden.“
Nach § 15 Abs. 2 Nr. 7 AsylVfG ist der Ausländer verpflichtet, „die vorgeschriebenen erkennungsdienstlichen Maßnahmen zu dulden“.
Marei Pelzer
Rechtspolitische Referentin
PRO ASYL
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