Aufruf der Vollversammlung der Hungerstreikenden in Griechenland

Januar 2011 /  Wir sind Migrantinnen und Migranten aus ganz Griechenland.

Wir kamen hierher, vertrieben von Armut, Arbeitslosigkeit, Kriegen, Diktaturen. Die multinationalen Konzerne des Westens und ihre politischen Handlanger in unseren Heimatländern haben uns keine andere Wahl gelassen, als -zig mal unser Leben zu riskieren, um an Europas Pforte zu gelangen. Der Westen, der unsere Länder ausplündert, mit seinem unvergleichlich höheren Lebensstandard ist für uns die einzige Hoffnung, wie Menschen zu leben. Wir kamen nach Griechenland (mit regulärer Einreise oder ohne), um zu arbeiten und um uns und unsere Kinder zu ernähren. Wir befinden uns in unwürdigen Zuständen und im Dunkel der Illegalität, damit die Arbeitgeber und die staatlichen Institutionen von der brutalen Ausbeutung unserer Arbeit profitieren. Wir leben von unserem Schweiß und mit dem Traum, eines Tages gleiche Rechte mit unseren griechischen Kollegen zu bekommen.

In der letzten Zeit ist die Situation für uns sehr schwierig geworden. Je mehr Löhne und Renten gekürzt werden, je teurer alles wird, desto mehr wird der Migrant als der Schuldige vorgeführt, als der Verantwortliche für die Verelendung und die brutale Ausbeutung der griechischen Erwerbstätigen und Kleinunternehmer. Die Propaganda faschistischer und rassistischer Parteien und Organisationen ist inzwischen die offizielle Sprache des Staates zum Thema Migration geworden. Ihre Phraseologie wird mittlerweile unverändert von den Medien wiedergegeben, wenn sie von uns sprechen. Ihre „Vorschläge“ werden heute als Regierungspolitik verkündet. Mauer am Evros, Lagerhaft auf Schiffen und Euromilitär in der Ägäis, Pogrome und Überfallkommandos in den Städten, Massenabschiebungen. Sie versuchen die arbeitenden Griechen zu überzeugen, daß wir plötzlich eine Gefahr für sie darstellen, daß wir an dem beispiellosen Angriff, dem sie seitens ihrer eigenen Regierungen ausgesetzt sind, schuld sind.

Die Antwort auf diese Lügen und diese Barbarei muß jetzt gegeben werden und wir, die Migranten und Migrantinnen, werden sie geben. Wir setzen unser Leben aufs Spiel, um jetzt die Ungerechtigkeit zu unseren Lasten zu stoppen. Wir fordern die Legalisierung aller MigrantInnen, wir fordern gleiche politische und soziale Rechte und Pflichten mit den arbeitenden Griechen. Wir fordern von unseren griechischen arbeitenden Kollegen, von jedem Menschen, dem es jetzt wegen der Ausbeutung seines Schweißes schlecht geht, an unserer Seite zu stehen. Er soll an unserer Seite stehen, um nicht in seiner eigenen Heimat der Lüge und der Ungerechtigkeit, dem Faschismus und der absoluten Herrschaft der politischen und wirtschaftlichen Eliten das Feld zu überlassen. Dem also, was in unseren Heimatländern die Oberhand bekommen und uns zur Migration gezwungen hat, um in Würde leben zu können, wir und unsere Kinder.

Wir haben keine andere Wahl, unsere Stimme hörbar zu machen, damit Ihr von unserem gerechten Anliegen erfahrt. Dreihundert (300) von uns beginnen am 25. Januar in Athen und Thessaloniki einen gesamtgriechischen Hungerstreik. Wir bringen unser Leben in Gefahr, weil so oder so dieses Leben für einen Menschen mit Würde kein Leben ist. Wir ziehen es vor, hier zu sterben, als daß unsere Kinder das leben, was wir durchmachen mußten.

Die Vollversammlung der Hungerstreikenden




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