Der Bundesrat hat am vergangenen Freitag der Asylrechtsverschärfung zugestimmt. Ausgerechnet mit der entscheidenden Stimme von Winfried Kretschmann, dem ersten grünen Ministerpräsidenten. Wer jedoch von einem Alleingang Kretschmanns redet, verkennt, dass die Grünen eine Mitverantwortung für den Beschluss tragen. Der Parteirat der Grünen hat Kretschmann die Entscheidung erleichtert, indem er einstimmig beschloss eine Zustimmung von grün mitregierten Ländern zu respektieren. Der Landesvorstand der Grünen Baden-Württemberg hat im Nachhinein erklärt, Kretschmanns Entscheidung mehrheitlich nachvollziehen zu können. Respekt und Verständnis für die Aushöhlung der Menschenrechte – das scheinen die neuen Leitlinien grüner Asylpolitik zu sein.
Wir haben ein paar Reaktionen auf Abschiebe-Kretschmanns Asyl-Deal gesammelt. Ergänzungen nehmen wir per Email entgegen.
„Die Tinte, mit der dieser Kompromiss geschrieben wurde, sie kommt gerade aus dem Gefrierschrank. Es lässt einen frieren.“ Torsten Albig, Ministerpräsident von Schleswig-Holstein (SPD)
„Realpolitik in ihrem schlechtesten Sinne. Fataler Deal auf Kosten von Roma-Flüchtlingen.“ Pro Asyl
„Ein fauler Kompromiss“ Selmin Çalışkan, Generalsekretärin von Amnesty
„Wir sind schockiert und enttäuscht, dass Ministerpräsident Winfried Kretschmann alle Appelle von Sozialverbänden und Flüchtlingshilfsorganisationen ignoriert und sogar seine eigene Partei vor den Kopf gestoßen hat, um stattdessen dieser Verschärfung des Asylrechts zuzustimmen“ Angelika von Loeper, Vorsitzende des Flüchtlingsrats Baden-Württemberg
„Es geht um Menschenrechte, und die sind nicht verhandelbar. Wenn die Grünen das meinen, sind sie für uns kein Verhandlungspartner mehr!“ Berenice Böhlo, Rechtsanwältin
„Kretschmann ist schäbig. Die Grünen verlieren hier ihr Gesicht. Kretschmann hat die Menschenrechte nicht verhandelt, er hat sie verschenkt.“ Georg Classen, Flüchtlingsrat Berlin
„Und das sind nicht die CDU oder die AfD, das sind die Grünen, die uns das hier verkaufen wollen. Die Entscheidung der Grünen in Baden-Württemberg ist unmoralisch. Parteimitglieder sollten entweder austreten oder in der Partei aufräumen.“ Fanny-Michaela Reisin, Präsidentin der Internationalen Liga für Menschenrechte
„Heute wurde das Menschenrecht auf Asyl für einen Appel und ein Ei verdealt.“ Volker Beck, innenpolitischer Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion
„Ein mieser Deal“ Ines Kappert, taz
„Kretschmann: Erst Kommunistischer Bund Westdeutschlands; jetzt Klassenkampf v. oben mit Gesetz gegen Arme: gegen diskriminierte Roma“ Radio Dreyeckland
„Die Grünen haben als Oppositionspartei versagt.“ Petra Sorge, Cicero
“Das Signal, das von dieser Abstimmung ausgeht, ist fatal und ein Schlag ins Gesicht der Flüchtlinge, insbesondere aus den drei Balkanstaaten, die nun als sichere Herkunftsstaaten gelten.“ Eva Muszar, Grüne Jugend Baden Württemberg
„Was wir Kretschmann ans Herz legen: http://www.mitglied-werden.cdu.de/page/17.htm“ Grüne Jugend Berlin
„Alleingang von Kretschmann ist fatal. Einknicken ein Armutszeugnis.“ Grüne Jugend
„Schäm dich, Kretschmann!“ Theresa Kalmer, Sprecherin der Grünen Jugend
„FCK GRN“ facebook-Nutzer
„Es ist ein bisschen traurig, dass wir das Gefühl haben, in dieser Sache Manövriermasse zu sein für Kompromisse.“ Romani Rose, Vorsitzende des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma
„Damit stehen die Grünen mit ihrer Asylpolitik vor einem Paradigmenwechsel. Mit dieser Zustimmung kehren sie endgültig dem Schutzanspruch für Flüchtlinge den Rücken und schlagen sich auf die Seite einer Abschottungsstrategie gegen Flüchtlinge.“ Karin Binder, Bundestagsabgeordnete der Linkspartei
„Durch den heutigen Beschluss werden verschiedene benachteiligte Gruppen auf erniedrigende Weise gegeneinander ausgespielt. Von CDU und SPD ist man nichts anderes gewohnt. Aber dass die Grünen sich – nach ihrer Ablehnung des Gesetzes im Bundestag und der klar ablehnenden Positionierung des Parteirats – daran nun unter Nennung von Pseudoargumenten wie der selbst verschuldeten Überforderung bei der Flüchtlingsaufnahme auch mit beteiligen, ist enttäuschend.“ Fabio Reinhardt, Piratenfraktion Berlin
„Möge Kretschmann ein langes Leben als Landesvater vergönnt sein, aber mit dem, was sich einst ‚grün‘ nennen durfte, hat er nichts zu tun. Wenn es so weitergeht, mag die Partei als Hülle weiter existieren. Was die einst darin enthaltenen Werte betrifft, darf man sagen: Bye bye, Grüne!“ Stephan Hebel, Frankfurter Rundschau
„Grün als politisches Versprechen ist damit beliebig geworden. Als willfähriger Schattenkoalitionspartner könnte man so glatt die FDP ersetzen. Und ebenso untergehen.“ Christina Nagel, WDR
„Ein paar neue Brosamen für Flüchtlinge werden wohl schon noch übrig bleiben. Aber dafür hat Kretschmann einem Gesetz zugestimmt, das nun als Protoyp für weitere solcher Gesetze dienen kann: Nach dem jetzigen Muster kann man auch andere Staaten für ’sicher‘ erklären. Man sorgt erst auf politischem Weg dafür, dass die Anerkennungsquoten für Flüchtlinge rapide sinken – und nimmt die gesunkenen Anerkennungszahlen dann als Begründung dafür, dass die Menschen offensichtlich sicher seien; so kann man dann ganze Listen mit sicheren Herkunftsländern aufstellen. Vor einigen Wochen hat eine Studie ergeben, dass die Roma die meistverachtete Minderheit in Deutschland sind. Wie lässt sich das ändern? Jedenfalls nicht mit dem Gesetz, das jetzt mit Kretschmanns Hilfe verabschiedet worden ist. Es ist ein Gesetz, das die Vorurteile genau gegen diese Menschen verstärkt.“ Heribert Prantl, Südddeutsche Zeitung
„Unerträglich zynisch gerät die Rechtfertigung des Gesetzentwurfes durch den grünen Stuttgarter Ministerpräsident Kretschmann, wenn er auf den Staatsvertrag zum Minderheitenstatus deutscher Sinti und Roma in Baden-Württemberg verweist. Als würde dieser den z.B. in Serbien drangsalierten Roma nützen!“ Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein
„Es ist schlimm genug, dass unsere eigene Partei das Vorhaben des Innenministeriums auf Grundlage des Koalitionsvertrags unterstützt hat. Dass jetzt aber die Landesvertreter von B90/die Grünen, die Schlimmeres im Bundesrat hätten verhindern können, ebenso mitziehen, ist nicht zu verstehen.“ Cornelia Östreich, Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen (AsF) Schleswig-Holstein
„Am Schreibtisch ausgehandelte Kompromisse über Menschenleben.“ Charlott, Mädchenmannschaft